Home > Projekte > "Mona Lisa"

"Das Lächeln der Mona Lisa"

(Rheintaler vom 08. Februar 2014)


«Niemand weiss, ob die Mona Lisa auf dem berühmten Gemälde lacht oder nicht», sagte gestern Abend Rahel Egger. «Das muss jeder selbst herausfinden. Das mussten auch wir.»

 

Die vierzehnjährige Schülerin besucht regelmässig den Jugendtreff Dom der Pfarrei St. Nikolaus. Sie ist eine der vierzehn Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Projekt «Das Lächeln der Mona Lisa». Im letzten halben Jahr trafen sich regelmässig Jugendliche in ihrer Freizeit. Sie hörten miteinander Musik, quatschten und hängten ab. Soweit ein ganz normaler Jugendtreff. Und doch ist der Treff einzigartig: Einige Jugendliche haben eine Behinderung, die anderen besuchen die Oberstufe in Altstätten. Bevor die jungen Menschen aber so ungezwungen und selbstverständlich miteinander sein konnten, galt es, sich Kennenzulernen. «Gemeinsames Malen erleichtert das enorm», sagte Jugendarbeiterin Judith Marte. «Drücken sich die Jugendlichen auf kreative Weise aus, rückt vollkommen in den Hintergrund, ob sie eine Beeinträchtigung haben oder nicht.» Es sei wie bei der Art brut – reine, unverfälschte Kunst, sagte sie.

Bedürfnis wahrgenommen

«Für mich sind alle Menschen normal», meinte Marie-Theres Stieger. Ihr Sohn David ist achtzehn Jahre alt und nimmt an dem Projekt teil. Er hat das Down Syndrom. «Was normal ist, definiert jeder anders. Wir Eltern sehen unsere Kinder nicht als behindert an. Für uns sind sie normal.» Sie benutze das Wort «normal» gerne provokativ: «Wir Eltern wollen, dass unsere Kinder sich so frei bewegen können und Möglichkeiten haben, wie andere Jugendliche auch.» Es gab bisher keinen Jugendtreff für David Stieger.

 

«Das Bedürfnis meines Sohnes, in den Ausgang gehen zu können, habe ich wahrgenommen.» Deshalb wollte Marie-Theres Stieger ihre Idee zu einem integrativen Jugendtreff Judith Marte vorschlagen. «Es war ein glücklicher Zufall», sagte sie. Die Jugendarbeiterin hatte die gleiche Idee – unabhängig von ihr. «Wir wollten uns gegenseitig begeistern und es war gar nicht nötig.»

Nun gibt es den Treff seit einem halben Jahr. David Stieger hat seinen Bekanntenkreis erweitert. Er kann selbständig und frei in den Ausgang gehen – ohne eine Begleitung aus der Familie – und Leute mit gleichen Interessen treffen. Musik hören, chillen – ausserhalb von daheim. Wie andere.

 

«Ich habe Kollegen gefunden»

«Ich kann gut Malen», erklärte David Stieger, warum er gerne in den «Dom» geht. «Ich male auch zu Hause.» David Stieger ging früher in die Heilpädagogische Schule Heerbrugg. Jetzt arbeitet er als Schreinerpraktikant. «Ich habe jetzt keine Kollegen mehr in der Schule. Ich bin froh, hier ein paar gefunden zu haben.» Zu diesen Kollegen zählt er Sarah Egger. «Ich finde, es ist eine super Idee, dass wir miteinander malen», sagt sie. Es sei schön, dass beide Welten – die der Behinderten und die der Nichtbehinderten – zusammen geführt werden. Sie ergänzt: «Die Welten sind gar nicht so unterschiedlich und trotzdem gibt es eine Grenze zwischen ihnen. Obwohl wir nicht so sehr anders sind, sind wir trotzdem getrennt.» Das findet sie schade.

 

Im Projekt des Jugendtreffs hat Sarah Egger viele Leute getroffen, die sie nicht kannte. «Ich habe gemerkt, dass ich Geduld haben muss. Das ist mir aber nicht schwer gefallen.»

Die Oberstufenschülerin übernahm beim Malen gerne eine führende Rolle, um zu zeigen, was als nächstes gemacht werden musste. Teilweise war sie auch Zuhörerin. «Sie erzählen viel, über ihren Alltag, über ihr Leben.» Der Titel des Projekts sagt Sarah Egger sehr zu. «Jeder denkt bei der Mona Lisa an Kunst und bei ihrem Lächeln an Glückseligkeit.» Niemand wisse ob sie wirklich lache. In Altstätten hat Mona Lisa etwas zu lachen. Der Jugendtreff wird fortgesetzt – ein Projekt von Dauer.

(Text von Monika von der Linden erschienen in "Der Rheintaler" vom 08.02.2014)