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Voneinander lernen, gegenseitig bereichern

Evangelische Mitchristen feiern 500 Jahre Reformation

Die Reformation hat eine ganze Reihe von Veränderungen in Kirche und Gesellschaft ausgelöst. Seitdem gehen Christen in der Schweiz getrennte Wege. In diesem Jahr wird sich an dieses einschneidende Ereignis vor 500 Jahren erinnert. Über die Reformation, ihre Bedeutung und die heutige ökumenische Arbeit sprechen wir mit Dekan Renato Tolfo.

 

Warum lohnt es noch heute, sich mit der Reformation zu beschäftigen?

Renato Tolfo: Wir alle sind Teil der Geschichte und alle Errungenschaften in der Gesellschaft sind das Ergebnis von Prozessen in der Vergangenheit. Heutzutage nimmt man vieles als zu selbstverständlich hin und vergisst, welche gesellschaftlichen Veränderungen und Bewegungen dazu geführt haben, wo wir heute sind. So sind gerade Bildung und die soziale Verantwortung der Gesellschaft und des Staates wichtige Errungenschaften aus der Zeit der Reformation.

 

Was bedeutet die Reformation für die Menschen heute?

Renato Tolfo: Immer wieder wenden sich Menschen von den Kirchen ab und fragen nicht mehr nach dem, was der christliche Glaube für ihr Leben bedeuten könnte. Die Auseinandersetzung mit der Reformation und die damit verbundenen Anlässe bieten den Kirchen die Gelegenheit, auch Aussenstehenden zu zeigen, was sie alles zum Wohle der Gesellschaft leisten. Die Kirchen reformieren sich ständig und bewegen sich einladend auf die Menschen zu, das ist für mich Reformation heute.

 

Was trennt die beiden Kirchen bis heute? Was können Katholiken und Reformierte heute voneinander lernen?

Renato Tolfo: Am unterschiedlichen Amtsverständnis scheitern gewisse Annäherungen. Ich bin nicht der Meinung, dass wir in der Ökumene alles

vereinheitlichen sollen. Die konfessionelle Prägung als Teil der persönlichen

Identität ist auch ein wertvolles Gut. Aber wir können voneinander lernen und uns gegenseitig bereichern. In beiden Kirchen arbeiten Menschen mit grossem

Engagement für das gleiche Ziel. Deshalb ist es sinnvoll, wenn wir Ideen und

Kräfte zusammenbringen.

 

Was hältst du von gemeinsamen, ökumenischen Projekten beider Kirchen?

Renato Tolfo Sie sind ein Zeichen dafür, dass wir unseren Auftrag, den Menschen das Evangelium nahe zu bringen, ernst nehmen. Im

gemeinsamen Auftreten zeigen wir, dass wir alle Teil einer grossen Gemeinschaft sind, deren Haupt Christus ist.

 

Warum ist dir die Ökumene ein persönliches Anliegen?

Renato Tolfo: Ein Teil meiner Familie ist katholisch. Die gelebte Offenheit und Wertschätzung hat mich sehr geprägt. Da hat es nie konfessionelle Gräben gegeben und das möchte ich auch als Pfarrer hier, wo ich zuhause bin, leben.

 

Was glaubst du, wie wird sich die Ökumene in den nächsten Jahren entwickeln?

Renato Tolfo: Ich hoffe, dass wir in den Gemeinden immer näher zueinander finden werden. Die konfessionelle Spaltung ist heute für viele nicht mehr nachvollziehbar. Gerade bei der Kinder-, Jugend- und Familienarbeit können wir gemeinsam viel mehr Menschen ansprechen und vermitteln, wie wichtig der Glaube an Gott ein tragendes Fundament im Leben sein kann.

 

Im Rahmen der ökumenischen Erwachsenenbildung findet am 29. Juni in der evang. Kirche Marbach ein Vortrag mit Prof. Fulbert Steffensky statt. Thema: „Katholisch-Reformiert: Zwei Dialekte der einen Sprache“. Beginn 19.30 Uhr.